NABU Obstsortenparadies

Die Streuobstwiese Chemnitz-Hilbersdorf wurde 2019 als „NABU-Obstsortenparadies“ ausgezeichnet. Bundesweit ist dies die zweite Obstanlage, die den Titel von der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe erhält. „Die Chemnitzer Streuobstwiese leistet einen vorbildlichen Beitrag zum Erhalt der regionalen Sortenvielfalt und zur Förderung charakteristischer Arten dieses Lebensraums“, begründet Christian Unselt, Vorsitzender der NABU-Stiftung, bei der festlichen Einweihung die Ehrung. Mit der 2018 eingeführten Auszeichnung wollen der NABU-Bundesfachausschuss (BFA) Streuobst und die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe auf die Bedeutung von Streuobstanlagen für die Biodiversität aufmerksam machen und diese wichtigen Lebensräume unterstützen.

Um „NABU-Obstsortenparadies“ zu werden, muss eine Streuobstanlage nicht nur mindestens 100 Hochstamm-Obstbäume aufbieten, sondern auch einen Bildungsauftrag erfüllen: „‚NABU-Obstsortenparadiese‘ müssen öffentlich begehbar sein, am Eingang muss mindestens eine bundesweit einheitliche Infotafel stehen und die Obstbäume sollten idealerweise mit Sortenschildern versehen sein“, erläutert Dr. Markus Rösler vom NABU-BFA Streuobst. Des Weiteren sind eine dauerhafte Sicherung des Standortes und eine naturverträgliche Nutzung ohne synthetische Pestizide und synthetische Düngemittel vorgeschrieben. „Zudem ist es wichtig, dass alle Bäume mindestens 180 Zentimeter Stammhöhe besitzen. Das entspricht nicht nur der formalen Norm, sondern erleichtert die Bewirtschaftung, ermöglicht spezifische Forschungen und ist später aus naturschutzfachlichen Gründen von Bedeutung“, erklärt Unselt. „Denn Spechte zimmern ihre Bruthöhlen nur in Hochstamm- und nicht in Halbstamm-Bäumen.“ Mindestens 50 verschiedene, möglichst regionale Obstsorten müssen für den Titel als NABU-Obstsortenparadies je mindestens zweimal auf Hochstamm-Obstbäumen gesichert sein.

In Chemnitz sind es derzeit 71 verschiedene Apfelsorten, die auf jeweils zwei Bäumen mit über 180 Zentimetern Stammhöhe den Kern des zweiten deutschen „NABU-Obstsortenparadieses“ ausmachen. Weitere elf Apfelsorten kommen je einmal vor. „Mit dieser zweiten Auszeichnung haben wir in Deutschland 111 Apfel-, zehn Birnen-, eine Kirsch, eine Pfirsich- und eine Zwetschgensorte und damit insgesamt schon 124 Obstsorten gemäß den NABU-Kriterien doppelt erhalten“, zählt Rösler auf. „Bis 2020 wollen wir über die NABU-Obstsortengärten möglichst 1.000 verschiedene Obstsorten sichern. Die beiden bislang ausgezeichneten Anlagen im nordrhein-westfälischen Wassenberg und im sächsischen Chemnitz werden nicht lange allein bleiben: Für Baden-Württemberg liegt ein bereits ein positiv beschiedener Antrag vor und weitere Bundesländer haben ihr Interesse bekundet“, so Markus Rösler.

Im sächsischen Obstsortenparadies sind unter anderem regionale, alte Sorten wie der Lausitzer Nelkenapfel oder der Königliche Kurzstiel gesichert. Der NABU Erzgebirge pflegt die Wiese, inklusive Obstbaumschnitt und Wiesenmahd. „Im Grunde haben wir die Streuobstwiese bereits genauso angelegt und gepflegt, wie es die Kriterien für die ‚NABU-Obstsortenparadiese‘ vorsehen. Die Auszeichnung hilft uns nun dabei, die Öffentlichkeit noch besser über unsere wichtige Arbeit hier zu informieren und unsere lokalen und regionalen Apfelsorten wie den Edlen von Leipzig und die Gelbe Sächsische Renette als Kulturgüter zu erhalten“, freut sich Lutz Röder, Streuobstexperte des NABU Erzgebirge.

„Auf zwei Hektar Fläche leistet der NABU Erzgebirge einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie. Denn auch Obstsorten gehören zur biologischen Vielfalt, die heute mehr und mehr abnimmt“, sagt Bernd Heinitz, Vorsitzender des NABU Sachsen. Zudem verweist er auf die vielfältigen Bedeutungen der Streuobstwiese: „Wer weiß, ob nicht eine der hiesigen Sorten später wichtig bei der Obstsortenzüchtung wird, beispielsweise bei der Suche nach Resistenzen oder als besonders geeignet beim Klimawandel.“

Eigentümer der Fläche ist die Stadt Chemnitz, welche die Wiese an den NABU Erzgebirge verpachtet. In Herbst 2019 kam noch eine ein Hektar große Erweiterungsfläche hinzu – und mit ihr weitere 60 Bäume samt 27 neuer Sorten. Das Anlegen der Wiese im Jahr 2016 wurde von der Sächsischen Landestiftung für Natur und Umwelt gefördert – ebenso die Bewirtschaftung bis Ende 2019. „Für eine weitere Finanzierung brauchen wir Patenschaften für einzelne Bäume und Spenden und suchen daher Liebhaber und Förderer unserer Obstsorten und Bäume“, erklärt Röder.